No Hitting Day 2025: Gewaltfreie Erziehung als Weg, nicht als Ideal

Wir wissen, wie es eigentlich laufen sollte: ruhig bleiben, liebevoll Grenzen setzen, zuhören. Und dann kommt der Moment – das Geschrei, der Zeitdruck, der Stress – und plötzlich ist alles zu viel.

Gewaltfreie Erziehung bedeutet nicht, immer gelassen zu sein. Sie bedeutet, auch in schwierigen Momenten den Kontakt zum Kind nicht zu verlieren. Und den zu sich selbst.

In der Schweiz ist das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung bislang nicht explizit im Gesetz verankert. Und der Alltag zeigt: Gewalt ist nach wie vor Teil vieler Erziehungssituationen. Eine Erhebung der Universität Freiburg im Auftrag von Kinderschutz Schweiz zeigt, dass rund 40 Prozent der befragten Eltern schon einmal körperliche Gewalt wie Schläge, Stösse oder das Ziehen an den Haaren eingesetzt haben – 6 Prozent davon sogar regelmässig. Zusätzlich gab über ein Fünftel der Eltern an, regelmässig psychische Gewalt auszuüben, etwa durch Anschreien, Beschimpfen oder Demütigungen.

 

Was bedeutet eigentlich gewaltfreie Erziehung?

Gewaltfreie Erziehung umfasst weit mehr als den Verzicht auf körperliche Strafen. Sie schliesst auch psychische Gewalt – wie Demütigungen, Drohungen oder Liebesentzug – ein. Es geht darum, Kinder ernst zu nehmen, ihre Gefühle zu respektieren und Konflikte so zu lösen, dass niemand das Gesicht verliert – weder das Kind noch die Eltern.

Entscheidend ist, den Widerstand des Kindes als Ausdruck seiner Überforderung zu verstehen, anstatt ihn persönlich zu nehmen. Dies eröffnet neue Wege der Kommunikation und des gegenseitigen Verständnisses.

 

Warum ist gewaltfreie Erziehung so wichtig?

Kinder, die in einer gewaltfreien Umgebung aufwachsen, entwickeln:

  • ein stärkeres Selbstwertgefühl
  • mehr Empathie und bessere soziale Kompetenzen
  • die Fähigkeit, Konflikte respektvoll zu lösen

Gleichzeitig sinkt das Risiko für spätere psychische Probleme und Suchtverhalten. Ein liebevoller, anleitender Erziehungsstil schafft die Basis für eine gesunde Entwicklung und für starke, vertrauensvolle Beziehungen.

 

Gewaltfrei erziehen im Alltag – so kann es gelingen

Der Familienalltag ist oft hektisch. Kinder trotzen, streiten, testen Grenzen aus. Eltern sind müde, gestresst, manchmal überfordert. Hier setzt gewaltfreie Erziehung an – nicht als unerreichbares Ideal, sondern als praktischer Weg:

  1. Alltagsstress reduzieren: Stress ist ein häufiger Auslöser von Gewalt. Eine kurze Pause, ein tiefes Durchatmen oder ein kurzes Verlassen des Raumes können Wunder wirken.
  2. Klare Grenzen setzen: Gewaltfrei heisst nicht grenzenlos. Kinder brauchen Orientierung – aber ohne Angst.
  3. Positive Kommunikation: Auf Augenhöhe sprechen, empathisch zuhören und eigene Bedürfnisse klar äussern. Die Devise heisst Kommunikation statt Eskalation.
  4. Emotionen benennen: Gefühle ausdrücken, ohne zu verletzen. Auch die eigenen!
  5. Konsequenzen statt Strafen: Verhalten reflektieren lassen und natürliche Konsequenzen erklären.
  6. Vorbild sein: Selbst gewaltfrei handeln und authentisch bleiben – auch wenn das bedeutet, eigene Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen.
  7. Hilfe annehmen: Niemand muss perfekt sein. Beratungsangebote, Workshops oder Elternkurse können wertvolle Unterstützung bieten.

Kinderschutz Schweiz setzt sich seit Jahren für die gesetzliche Verankerung der gewaltfreien Erziehung ein. Der Bundesrat hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern soll. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um Kinder besser zu schützen und Eltern eine klare Orientierung zu geben.

 

Unterstützung für Eltern

Erziehen ist keine leichte Aufgabe, schon gar nicht allein. Deshalb gibt es zahlreiche Unterstützungsangebote:

  • Elternkurse und Webinar – auf Elternbildung Aargau gibt es ein breites Angebot
  • Podcasts z.B. ElternAlltag
  • Beratungsstellen für Familien
  • Praktische Tipps für den Alltag auf verschiedenen Social-Media-Kanälen

 

Unterstützung für Fachpersonen

Auch Fachpersonen, die mit Familien arbeiten, stehen im Spannungsfeld zwischen Begleiten, Beraten und Grenzen setzen. Gewaltfreie Erziehung gelingt umso besser, wenn Eltern auf ein unterstützendes Umfeld zählen können.

Deshalb unterstützt die Suchtprävention Aargau Fachpersonen mit dem Online-Workshop Kinder mittendrin – im Schatten häuslicher Gewalt und vielen (Fach-)Bücher und Spielen zur gewaltfreien Erziehung und gewaltfreier Kommunikation.

 

Fazit

Gewaltfreie Erziehung ist kein unerreichbares Ideal, sondern ein bewusst gewählter Weg – manchmal holprig, oft herausfordernd, aber immer lohnend. Am No Hitting Day 2025 laden wir alle Eltern ein, diesen Weg weiterzugehen oder neu zu beginnen. Für sich selbst, für ihre Kinder und für eine Gesellschaft, in der respektvoller Umgang selbstverständlich ist.

 

Quellen und weiterführende Informationen

https://www.kinderschutz.ch/angebote/praeventionskampagne/starke-ideen-studie-bestrafungsverhalten

https://www.fritzundfraenzi.ch/erziehung/gewalt-in-erziehung-wir-muessen-zu-krisenmanagern-unseres-familienalltags-werden/

https://www.fritzundfraenzi.ch/erziehung/7-tipps-fuer-eltern-zur-gewaltfreien-erziehung/

 

Bildquelle: erstellt mit Unterstützung von Midjourney.com

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